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Komplott gegen Kairo?

Neue Indizien im Fall des 1967 von Israel angegriffenen US-Spionageschiffes "Liberty"

Von Hans Springstein Auf den Tag genau heute vor 37 Jahren fehlten nur wenige Minuten bis zum Beginn eines Atomkrieges. Zwei A4-Jagdbomber starteten vom US-Flugzeugträger "America" mit Ziel Kairo, unter ihrem Rumpf Atombomben. Es sollte ein Vergeltungsschlag gegen Ägypten werden. Den Anlaß dafür gab ein Angriff auf das US-Spionageschiff "Liberty" in den internationalen Gewässern vor der Küste der Halbinsel Sinai. Doch das Schiff war nicht von Ägypten, sondern von israelischen Mirage-Jagdbombern und Torpedobooten angegriffen worden. Kurz bevor sie ihr Ziel erreichten, wurden die Atombomber gestoppt. Für Israel handelt es sich bei dem Angriff auf die "Liberty" bis heute um eine "tragische Verwechslung". Der damalige Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Schlomo Gazit, spricht in dem zu Wochenbeginn wiederholten BBC-Dokumentarfilm "Death in the Water" (2003) von Christopher Mitchell von einem "dummen Fehler". Das wird unter anderem mit der angeblichen Verwechslung mit einem deutlich kleineren ägyptischen Frachter begründet. Für die Überlebenden der "Liberty", wie Lloyd Painter, war es "kaltblütiger Mord" und der "bestgeplante Unfall" in der Marinegeschichte. 34 Seeleute des US-Schiffes kamen am 8. Juni 1967 ums Leben, 171 wurden verwundet. Die "Liberty" ging trotz der mehr als eine Stunde dauernden Angriffe nicht unter. Das unbewaffnete Schiff konnte später schwer beschädigt nach Malta gebracht werden. Notdürftig geflickt kam es im Juli des Jahres zurück in die USA, wo die Überlebenden in alle Himmelsrichtungen verteilt wurden. Ihnen wurde mit dem Kriegsgericht gedroht, falls sie irgend jemandem etwas davon erzählten, was sie erlebt hatten. Auf israelischer Seite Verantwortliche wie der damalige Mossad-Chef Rafi Eitan verweigern mit dem Hinweis auf ihre Loyalität gegenüber ihrem Land Auskünfte über die Hintergründe. In den USA sprechen zumindest Jahrzehnte später einige, wie der damalige US-Vizeaußenminister Lucius Battle, davon, daß das Schiff absichtlich angegriffen wurde. Das bezeichnet der ehemalige CIA-Chef Richard Helms in dem BBC-Film als "Fakt" und "unentschuldbar". Selbst der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson soll das laut Battle so gesehen haben. Anfang dieses Jahres beschäftigte sich eine Konferenz in Washington mit inzwischen freigegebenen Dokumenten zu dem Vorfall. Dabei wurden zumindest die offiziellen Vertuschungen deutlich. Der Journalist James Bamford zitierte die eidesstattliche Erklärung von Ward Boston, der Mitglied des militärischen Untersuchungsausschusses zu "Liberty" gewesen war. In der Erklärung vom Oktober 2003 heißt es, daß der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson und sein Verteidigungsminister Robert McNamara den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses "die Schlußfolgerung" befohlen hätten, daß es sich bei dem Angriff "um einen Fall ›falscher Identität‹" gehandelt habe, "trotz überwältigender Beweise des Gegenteils". Bamford vermutet in seinem Buch über die National Security Agency (NSA), dem "mächtigsten Geheimdienst der Welt", die "Liberty" sollte versenkt werden, weil sie abhörte, was in Al Arish geschah. Dort massakrierten im Juni 1967 israelische Truppen unter Befehl des heutigen Regierungschefs Israels, Ariel Scharon, mehr als tausend ägyptische Kriegsgefangene. Doch der BBC-Dokumentarfilm und das Buch "Operation Cyanide" des britischen Journalisten Peter Hounam sowie die Überlebenden verweisen auf Belege für einen ganz anderen Hintergrund: eine mögliche Verschwörung zwischen den USA und Israel gegenüber Kairo. Deren Ziel könnte es gewesen sein, durch das angeblich von Ägypten versenkte Schiff die USA auf seiten Israels in den Sechstage-Krieg von 1967 hineinzuziehen. Es habe einen Plan "Operation Cyanide" gegeben, heißt es in Film und Buch, mit dem Ziel, Ägypten zu überfallen und dessen Präsident Abdel Nasser zu stürzen. James Ennes, einer der "Liberty"-Überlebenden, weiß von einem Dokument vom April 1967, in dem dieser Plan erwähnt wird. Es stammt von einer Sitzung des "Committee 303", eines Gremiums der US-Regierung, das verdeckte Aktionen der USA plante und im Namen des US-Präsidenten entschied. Das geschah, damit der Präsident bei einem Scheitern nicht belastet werden könne, erklärte Ex-CIA-Chef Richard Helms in dem BBC-Film. In die Vorgänge seien auch US-U-Boote verwickelt gewesen, die sich im Juni 1967 im Mittelmeer befanden, berichten Film und Buch. "Liberty"-Mann Ennes berichtet von einem U-Boot, das direkt bei dem Schiff war, als es angegriffen wurde. In dem Geheimdokument wird ein "Submarine" in den ägyptischen Gewässern erwähnt. Ein anderer Überlebender, David Lewis, berichtet im Dokumentarfilm von Geheimbefehlen im "Liberty"-Safe für U-Boot-Operationen, die aber infolge des Angriffs nie geöffnet wurden. Der Film berichtet auch von US-Aufklärungsflugzeugen, die vor dem Krieg nach Israel verlegt und samt Piloten im Sechstage-krieg zum Einsatz kamen. Was Exgeheimdienstler Gazit als "Hirngespinst" bezeichnet, wird von einem der Piloten, Greg Reight, vor laufender Kamera bestätigt. Quelle: www.jungewelt.de/2004/06-08 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite