"Ziehen Sie so schnell wie möglich nach Israel - das sage ich Juden überall auf der Welt. Aber in Frankreich ist es ein Muss", sagte Scharon am Sonntag bei einer amerikanisch-jüdischen Veranstaltung in Jerusalem unter Verweis auf den wachsenden Antisemitismus in Frankreich.
Juden wie Nichtjuden weisen Äußerung zurück Das Pariser Außenministerium nannte die Äußerungen Scharons "inakzeptabel" und kündigte an, eine Erklärung von Seiten Israels einzufordern. Jüdische Vertreter in Frankreich wiesen Scharons Appell entschieden zurück.
Muslimische Bevölkerung bildet "Nährboden" für Rassismus "Sie müssen sofort umziehen", sagte Scharon in Bezug auf die in Frankreich lebenden Juden weiter. Die Tatsache, dass "zehn Prozent der französischen Bevölkerung" muslimisch sei, biete den Nährboden für "eine neue Form des Antisemitismus". Einer der Sprecher des israelischen Regierungschefs sagte, der Appell Scharons betreffe nicht nur die Juden in Frankreich, sondern alle, auch die in den USA oder in Kanada.
Jüdischer Rat spricht Regierung das Vertrauen aus Richard Pasquier, Mitglied des Rates der jüdischen Institutionen in Frankreich (CRIF), erklärte, Scharon habe mit seinem Aufruf "auf inakzeptable Weise Öl ins Feuer gegossen". Die jüdische Gemeinde sei "in echter Sorge um die Zukunft ihrer Kinder", aber sie wisse, dass die französische Politik "alles tut, um gegen diesen Antisemitismus zu kämpfen". Einige Juden erwögen derzeit in der Tat, Frankreich zu verlassen. Zu gehen bedeute aber, dass die Lage nicht mehr unter Kontrolle sei. Dies sei nicht der Fall, betonte Pasquier.
"Wir sind ein Teil der Seele dieses Landes." Ein enger Mitarbeiter des Großrabbiners Joseph Sitruk, Haim Korsia, sagte, die Frage nach einem Auswandern der Juden aus Frankreich stelle sich nicht. "Wir sind ein Teil der Seele dieses Landes."
Häufung rassistischer Straftaten Die Äußerungen Scharons erfolgten zu einem Zeitpunkt, da sich rassistische und anti-jüdische Taten in Frankreich häufen. Am 4. Mai wurde der Rabbiner von Créteil als "dreckiger Jude" beschimpft, geschlagen und mit dem Tod bedroht. Ende April wurden auf dem jüdischen Friedhof Hattstatt-Herrlisheim nahe Colmar 127 Gräber geschändet. Die Täter hinterließen die Parole "Juden raus" sowie Sprüche wie "Ein Volk, ein Reich, ein Führer".
Junge Französin erfand Überfall Zudem hatte vergangene Woche der Fall einer jungen Französin für viel Aufregung gesorgt, die einen antisemitischen Überfall in einem Vorortzug frei erfunden hatte. Der vermeintliche Angriff hatte große Empörung ausgelöst; Präsident Jacques Chirac hatte ihn als "beschämend" verurteilt.
Antisemitische Staftaten stiegen 2004 stark an Das Pariser Innenministerium verzeichnete in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres 135 antisemitische Straftaten sowie 375 antisemitische Drohungen. Die Zahl der Straftaten überstieg dabei schon zur Jahresmitte die Gesamtbilanz des Vorjahres.
Rund ein Prozent will auswandern Nach Angaben der für die Immigration zuständigen halbstaatlichen Jüdischen Agentur in Jerusalem sank die Zahl der von Frankreich nach Israel ausgewanderten Juden im vergangenen Jahr leicht auf 2313. Bis zu 33.000 Juden wollten laut der Agentur "in absehbarer Zeit" auswandern, das entspräche sechs Prozent der jüdischen Gemeinde in Frankreich. Sie ist die größte Westeuropas.
Quelle: www.t-online.de vom 19. Juli 2004 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer
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